Europa-Newsletter Juli 2019

Ursula von der Leyen ist die neue Kommissionspräsidentin

Was für eine Woche in Straßburg! Am Dienstagabend hat das Europäische Parlament Ursula von der Leyen zur neuen Präsidentin der Europäischen Kommission gewählt. 383 der insgesamt 747 Abgeordneten stimmten für die bisherige deutsche Verteidigungsministerin. Es war sehr spannend. Mit Ursula von der Leyen ist eine überzeugte und leidenschaftliche Europäerin nun an der Spitze der EU-Kommission. Von Herzen wünsche ich ihr viel Erfolg und alles Gute!

In ihrer Rede hat sie die entscheidenden Zukunftsthemen angesprochen und dabei eine Mehrheit der Abgeordneten überzeugen können. Jetzt geht es darum, mit konkreten Projekten die Wettbewerbsfähigkeit Europas in der Wirtschaft und der Außenpolitik zu stärken. Alle proeuropäischen Kräfte im Europaparlament sind aufgerufen, dabei konstruktiv mitzuarbeiten. Mit der Wahl Ursula von der Leyens steht erstmals eine Frau an der Spitze der EU-Kommission. Ihre sechs Ziele in den kommenden Jahren sind:

1. Schützen, was Europa ausmacht: Bei der Verteidigung der Rechtsstaatlichkeit darf es keine Kompromisse geben. Für die Reform der Dublin-Asylregeln will sie einen neuen Anlauf nehmen.

2. Ein stärkeres Europa in der Welt: Europa soll auf der Weltbühne entschlossener und mit einer Stimme sprechen.

3. Eine Wirtschaft, deren Rechnung für die Menschen aufgeht: Ursula von der Leyen will ein Rechtsinstrument vorschlagen, mit dem sichergestellt werden soll, dass jeder Arbeitnehmer in der Europäischen Union einen gerechten Mindestlohn erhält.

4. Ein Europa, das für das digitale Zeitalter gerüstet ist: Dazu soll ein europäisches Konzept für die menschlichen und ethischen Aspekte der künstlichen Intelligenz gehören.

5. Ein europäischer Grüner Deal: Dazu gehört ein europäisches Klimagesetz, mit dem das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 gesetzlich verankert werden soll, ebenso eine CO2-Steuer an den Außengrenzen.

6. Neuer Schwung für die Demokratie in Europa: Bei einer Konferenz zur Zukunft Europas sollen die Bürger zu Wort kommen, die 2020 beginnen und zwei Jahre laufen soll. Sie unterstützt ein Initiativrecht für das Europäische Parlament. Das Spitzenkandidaten-System muss verbessert werden.

Die ausführlichen politischen Leitlinien für die Europäische Kommission 2019-2024 von Frau von der Leyen finden Sie hier.

Der Auswärtige Ausschuss hat sich konstituiert

Am Mittwoch, dem 10. Juli, hat sich der Auswärtige Ausschuss des Europäischen Parlaments konstituiert. In den kommenden zweieinhalb Jahren darf ich diesen wieder leiten. Es ist mir eine Ehre, dass die Abgeordneten ihr Vertrauen in mich bestätigt haben. Es gilt nun, die Mittel für die EU-Außenmaßnahmen im Rahmen des nächsten MFR 2021-2027 sicherzustellen, die Erweiterungs- und Nachbarschaftspolitik der EU zu begleiten sowie internationale Abkommen mit Drittländern zu überprüfen. Mein Ziel ist es, fraktionsübergreifend die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU zu stärken.

 

Ein demokratisches Europa der Zukunft

 In den vergangenen Wochen ist viel über Demokratie auf EU-Ebene diskutiert worden. Viele Wählerinnen und Wähler sowie ein Großteil der Abgeordneten hätten sich gewünscht, dass die Demokratisierung der EU einen deutlichen Sprung nach vorne macht, was mit der Wahl eines Spitzenkandidaten möglich gewesen wäre. Die Wahlbeteiligung ist gestiegen, die EVP ist deutlich als stärkste Kraft aus der Europawahl hervorgegangen, über den europäischen Spitzenkandidaten und unsere Kandidaten in 27 Ländern haben wir Gesicht gezeigt und Programm.  Ich finde: Mit der Blockade der Spitzenkandidaten im Europäischen Rat darf die weitere Demokratisierung der EU nicht gestoppt werden. Trotz Rückschlägen müssen wir die eingeschlagene Richtung fortsetzen. Die kommenden fünf Jahre müssen die Legislaturperiode der Demokratisierung und Parlamentarisierung Europas sein. Dies muss zum gemeinsamen Leitmotiv des Europäischen Parlaments und der neuen Kommission werden.

1. Das Spitzenkandidatenprinzip muss für die europäische Ebene in einem Rechtsakt verankert werden, der allgemein anerkannt und verbindlich ist. Das Prinzip in seiner heutigen Ausgestaltung ist bestimmt nicht perfekt, aber ein großer Schritt hin zu mehr Demokratie und Transparenz.

2. Das Europäische Parlament muss als souveräne Institution endlich ein Initiativrecht bei der Gesetzgebung erhalten. Dafür ist kurzfristig keine Vertragsänderung erforderlich. Die Kommission muss lediglich bestätigen, dass sie alle mit Mehrheit des Europäischen Parlaments beschlossenen legislativen Initiativen verbindlich aufgreift. Längerfristig ist eine Ergänzung der Verträge geboten, über die das Initiativrecht verankert wird.

3. Die Rechenschaftspflicht der EU gegenüber den Bürgern muss gestärkt werden. Wir brauchen nicht vornehmlich neue Werbebroschüren, die zeigen, wie gut Europa läuft. Was wir brauchen sind deutlich ausgeweitete Kontrollbefugnisse des Europäischen Parlaments. Wie alle nationalen Parlamenten muss das Europäische Parlament machtvolle Untersuchungsrechte bekommen, damit beispielsweise die Untersuchungsausschüsse keine zahnlosen Tiger sind.

4. Das Europäische Parlament muss das inhaltliche Mandat der EU wesentlich mitprägen. Das Arbeitsprogramm der Kommission sollte auf der Basis einer politischen Vereinbarung zwischen den tragenden proeuropäischen Fraktionen des Parlaments und der Kommission bestehen. Etwa, welche Initiativen die Kommission startet, wie sie politisch auf Entwicklungen reagiert - das muss im kollegial erarbeiteten Arbeitsprogramm verankert sein. Die Kommission würde damit geerdet, raus aus den administrativen Brüsseler Strukturen, hin zu den Menschen. Das Plenum des Europäischen Parlaments ist der Ort, an dem die zentralen politischen Debatten stattfinden müssen.

5. Das Europäische Parlament muss viel mehr als bisher auf die Implementierung der Gesetze achten. Heute endet der Prozess für die Abgeordneten meist mit dem Beschluss von Gesetzen. Bei den Bürgern kommen aber durch die Umsetzungen immer wieder Auslegungen an, die nicht dem Ziel der Gesetzgebung entsprechen.

6. Die EU und ihre Institutionen sind wichtig, aber natürlich nicht die Lösung aller Probleme. Sie müssen sich auf das konzentrieren, was wirklich notwendig ist und auf EU-Ebene entschieden werden muss. Die nächste Kommission sollte gemeinsam mit den nationalen Parlamenten und dem Europäischen Parlament alles auf den Prüfstand stellen, um zu klären, welche Aufgaben besser in Europa, welche besser auf nationaler oder regionaler Ebene aufgehoben sind. Darüber hinaus muss der entschlossene Kampf gegen die überbordende Bürokratie fortgesetzt werden.

Das politische System der EU ist nie durch Revolution fortentwickelt worden, sondern durch eine kontinuierliche Evolution: hin zu einer demokratischeren Europäischen Union. Das Europäische Parlament war nach meiner Auffassung immer die treibende Kraft für ein demokratisches Europa und hat dies nicht durch Sonntagsdebatten erreicht, sondern durch ein entschiedenes Handeln im richtigen Moment!

Zahlen und Fakten zur neuen Legislaturperiode

Die konstituierende Sitzung des Europäischen Parlaments nach der Europawahl 2019 fand Anfang Juli in Straßburg statt. Viele neue Abgeordnete wurden ins Parlament gewählt: Der Anteil neuer Mitglieder beträgt beachtliche 61 Prozent. Außerdem gibt es mit einem Frauenanteil von 41 Prozent mehr weibliche Abgeordnete als je zuvor. Am Ende der vorhergegangenen Legislaturperiode betrug ihr Anteil 36,5 Prozent. Das Durchschnittsalter der EU-Abgeordneten liegt bei 49,5 Jahren. Vor fünf Jahren betrug es 53 Jahre.  751 Abgeordnete von 190 nationalen politischen Parteien aus 28 Mitgliedsländern wurden in das Parlament gewählt. Das neue Parlament umfasst derzeit sieben Fraktionen, also eine Fraktion weniger als in der achten Legislaturperiode.

Die Fraktionen und die jeweilige Anzahl und Nationalität der Abgeordneten:

Wahlbeobachtungsmission in der Ukraine

Nach den Präsidentschaftswahlen in der Ukraine am 31. März und am 21. April 2019 (Stichwahl), aus denen Wolodymyr Selenskyj siegreich hervorgegangen ist, folgen am Sonntag, 21. Juli 2019, die Parlamentswahlen. Das Europäische Parlament entsendet jedes Jahr mehrere parlamentarische Delegationen zur Beobachtung von Wahlen oder Volksentscheiden in Drittstaaten. Die Wahlbeobachter überwachen den Wahltag und die Auszählung der Stimmen. Die Wahlbeobachtungsmission des Europäischen Parlamentes in der Ukraine darf ich an diesem Wochenende leiten.

Die Partnerschaft der Europäischen Union mit der Ukraine ist von Solidarität und Freundschaft geprägt. Sie entwickelt sich gut weiter. Gemeinsam haben wird in den vergangenen fünf Jahren größere Fortschritte erzielt als in den beiden Jahrzehnten davor. Die Ukraine hat sich zu ambitionierten Reformen verpflichtet. Die EU wiederum hat die Ukraine in beispielloser Weise finanziell und fachlich sowie mit autonomen Handelsmaßnahmen unterstützt. Zudem konnten bislang fast drei Millionen Ukrainer ohne Visum in die EU reisen. Neben der weiterhin herrschenden Einigkeit bezüglich der Sanktionen zeigt dies, dass sich die EU genauso entschlossen wie bisher für die Ukraine einsetzt.

Interviews diese Woche

Diese Woche habe ich unter anderem mit Phoenix und dem BR gesprochen.