Osterholzer Kreisblatt: Ein Europäer in der Kaserne
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Osterholzer Kreisblatt: Ein Europäer in der Kaserne

Die Verteidigungpolitik war naturgemäß ein zentrales Thema beim Vortrag in der Lucius-D.-Clay-Kaserne in Garlstedt, aber vor allem beschwörte David McAllister den Willen zur europäischen Gemeinschaft.

Osterholz-Scharmbeck. Der Europaabgeordnete David McAllister wartet unruhig auf eine Steilvorlage. „Fragen Sie doch etwas zum Brexit“, bettelt er in der Fragerunde. Schließlich bekommt er die Gelegenheit, etwas dazu zu sagen. Der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union beschäftigt den Politiker – nicht nur, weil er auch einen schottischen Pass in der Tasche hat. Er hält ihn für einen schwerwiegenden Fehler. „Das vereinigte Königreich wird noch merken, was es bedeutet, allein zu stehen“, sagt er. McAllister glaubt, dass sich die Briten eine unmögliche Aufgabe gestellt haben, die nicht nur die Quadratur des Kreises bedeute. Das sei schon eher die Wandlung der Kugel zum Würfel. Während das ein Problem der Engländer sei, müsse in Europa ein neues Gleichgewicht um die Ankerländer Deutschland und Frankreich gefunden werden.

Trotzdem beschwört der Europapolitiker bei seinem Vortrag in der Lucius-D.-Clay-Kaserne in Garlstedt den Willen zur europäischen Gemeinschaft. Auf Einladung der Logistikschule der Bundeswehr nahm er die Zukunft der EU unter die Lupe. McAllister zeigt sich zuversichtlich, dass es diese geben wird, eher – geben muss. Nach dem Brexit habe es zwei Twittereinträge gegeben, die den Brexit positiv bewertet haben. „Einer kam von dem Weisen aus dem Weißen Haus und einer von Wladimir Putin“, erklärt McAllister und fragt, was Putin von einer Destabilisierung der EU haben könnte. Die Antwort überlässt er seinen Zuhörern. Neue Schwerpunktsetzungen der USA, das Erstarken Chinas und die aggressive Politik Russlands machten deutlich: Europa muss sein Schicksal mehr als bisher in die eigenen Hände nehmen. McAllister: „Nur gemeinsam können wir uns als Europäer in dieser Welt behaupten und unsere gemeinsamen Interessen durchsetzen.“

Die Krisen der Vergangenheit müssten überwunden werden. „Unser Ziel muss es daher sein, einen neuen Aufbruch für Europa zu wagen“, appelliert McAllister. Dabei gehe es nicht um große Vertragsänderungen. Es gehe darum, die europäischen Werte und Errungenschaften noch besser zu schützen, den gesellschaftlichen Wandel anzunehmen und zu gestalten. Dann werde die Staatenfamilie wieder mehr Akzeptanz bei den Bürgern finden. 2019 stehen die nächsten Europawahlen an. Der frühere niedersächsische Ministerpräsident warnt: „Populisten wollen die EU zerstören.“ Die Dämpfer für die Gegner in den Niederlanden und Frankreich dürften darüber nicht hinwegtäuschen. Je niedriger die Wahlbeteiligung bei der Wahl ausfalle, umso mehr profitierten die „Knalltüten“.

Deshalb müsse die EU liefern. Doch McAllister weiß auch um das Bild der EU in der Öffentlichkeit. Viele sähen immer noch die bürokratischen Exzesse um Normen für Gurken, Bananen, Leuchtmittel und Treckersitze. Das sei falsch gewesen, gehört seiner Meinung nach aber längst der Vergangenheit an. „Das sind alles olle Kamellen. Die EU soll sich auf große Dinge konzentrieren und die gut machen“, sagt er. Die Verantwortlichen arbeiteten am Abbau der Bürokratie. Die Mitgliedsländer bräuchten viele Freiräume.

McAllister nennt Punkte, um die sich die EU kümmern müsse: Vertiefung des Binnenmarktes, der digital vernetzt werden müsse, Kampf gegen die Steuervermeidung großer Unternehmen, Impulse für Arbeitsplätze, Wachstum und Investitionen, eine robuste Energieunion mit zukunftsorientierter Klimaschutzpolitik, eine faire und tiefere Wirtschafts- und Währungsunion, eine neue Migrationspolitik, mehr Gemeinsamkeit in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik sowie einen geordneten Austritt der Briten.

Viele Zuhörer interessierte naturgemäß besonders die Verteidigungspolitik. Eine europäische Armee sieht McAllister ebenso wenig, wie die Vereinigten Staaten von Europa. Aber 75 Prozent der EU-Bürger befürworteten eine gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik. In Deutschland seien es sogar 85 Prozent. Die Sicherheit sei eines der wichtigsten Anliegen der Bürger. Die Mitgliedsländer der EU gäben mehr Geld für die Verteidigung aus als Russland oder China. Rund 80 Prozent der Verteidigungskäufe vollzögen sich aktuell auf nationaler Ebene, was zu Doppelstrukturen führe. „Ein positiver Schritt ist der europäische Verteidigungsfond, der Ausgaben künftig besser abstimmen kann“, sagt McAllister. 25 EU-Staaten hätten eine ständige strukturierte Zusammenarbeit beschlossen.

McAllister zeigt sich optimistisch: Die EU habe geliefert und sei ein historisch einzigartiges Friedens- und Erfolgsprojekt.