Nordwest Zeitung: Dieses geschundene Land braucht endlich Frieden
30229
post-template-default,single,single-post,postid-30229,single-format-standard,cookies-not-set,et_divi_builder,qode-social-login-1.1.2,qode-restaurant-1.1.1,stockholm-core-1.0.5,tribe-no-js,page-template-stockholm,select-theme-ver-9.8,ajax_fade,page_not_loaded,vertical_menu_enabled,menu-animation-underline,side_area_uncovered,,qode_menu_,et-pb-theme-stockholm,et-db,wpb-js-composer js-comp-ver-7.6,vc_responsive

Nordwest Zeitung: Dieses geschundene Land braucht endlich Frieden

von Detlef Drewes


Am Mittwoch startet die neue EU-Operation „Irini“ im Mittelmeer. Auch Deutschland beteiligt sich – vermutlich mit Seeaufklärern. Wir sprachen darüber dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im Europäischen Parlament, dem niedersächsischen CDU-Politiker David McAllister.


Frage: Seit diesem Mittwoch überwachen europäische Marine-Einheiten im Mittelmeer den Schiffsverkehr, um Waffenlieferungen nach Libyen zu unterbinden. Was versprechen Sie sich davon?
McAllister: Der Beginn der Operation „Irini“ ist ein wichtiger Schritt, um das Waffenembargo für Libyen endlich umzusetzen. Durch die Überwachung des Luft- und Seeraumes vor der libyschen Küste wird der Einsatz dafür sorgen, dass es schwer wird, Waffen unbemerkt in das Land zu schmuggeln.

Frage: Ist es nicht zynisch, dass diese Schiffe abseits der Fluchtrouten stationiert werden, damit sie nur ja keine Flüchtlinge retten können?
McAllister: Das Hauptziel der Mission ist es, den Waffenschmuggel nach Libyen zu unterbinden. Die völkerrechtliche Verpflichtung, diejenigen zu retten, die in Seenot geraten sind, bleibt davon unberührt. Deswegen ist es richtig, dass sich die Mitgliedstaaten bereits vorher auf einen Verteilmechanismus für schiffbrüchige Migranten im Mittelmeer geeinigt haben.

Frage: Kann die Operation „Irini“ wirklich ein Durchbruch werden, um Libyen zu befrieden?
McAllister: Bis zu einem dauerhaften Waffenstillstand ist es noch ein langer Weg. Die Berliner Konferenz Anfang Januar hat dazu viele Beschlüsse gefasst. Dieser EU-Einsatz ist nur einer davon. Wir müssen noch sehr viel mehr tun. Dieses geschundene Land und die Menschen brauchen endlich Frieden.

Frage: Das Coronavirus hat auch die Verhandlungen zwischen Briten und Europäern über einen gemeinsamen Handelsvertrag betroffen. Die beiden Chefunterhändler und der britische Premier sind erkrankt. Kommt der Prozess gerade zum Stillstand?
McAllister: Nein. Am Montag hat beispielsweise der Gemeinsame Ausschuss getagt, um die Fortschritte bei der Umsetzung des Austrittsabkommens zu evaluieren. Zwar hat vorletzte Woche die zweite Verhandlungsrunde zu den zukünftigen Beziehungen nicht wie geplant stattfinden können. Gleichwohl wird gegenwärtig versucht alternative Möglichkeiten zu finden, damit die insgesamt elf Arbeitsgruppen zu den unterschiedlichen Themen weiter verhandeln können. Ich denke, dass der Juni entscheidend sein wird. Nach bisheriger Planung soll dann eine hochrangige Konferenz eine erste Bilanz der Verhandlungen ziehen. Dass alle Beteiligten unter einem enormen Zeitdruck stehen, ist bekannt. Die Covid-19-Pandemie hat diesen Druck noch erheblich verschärft.

Frage: Gibt es von britischer Seite Signale, die Übergangsperiode vielleicht doch verlängern zu wollen?
McAllister: :Bisher lehnt die britische Seite eine Verlängerung weiterhin strikt ab. Die Europäische Union hat dagegen immer wieder betont, für mehr Zeit offen zu sein. Der Ball liegt ganz eindeutig im britischen Spielfeld. Meiner Meinung nach gibt es viele gute Argumente dafür, dass das Vereinigte Königreich überlegen sollte, ob unter diesen außerordentlichen Umständen wirklich ein für beide Seiten gutes Abkommen zu schaffen ist.

Frage: Premierminister Boris Johnson hat ja einen Antrag auf Verlängerung der Verhandlungsfrist per Gesetz ausgeschlossen. Mit welchen Argumenten könnte die EU ihn vielleicht umstimmen?
McAllister: Dieses Gesetz kam vor dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie zustande. Ich gehe davon aus, dass die britische Regierung selbst die Situation abwägen und gegebenenfalls auch neu bewerten wird. Es bleibt noch Zeit bis Juni, um in London vielleicht zu einer anderen Einschätzung zu kommen.

Frage: Ist ein gutes Abkommen in der zur Verfügung stehenden Zeit machbar?
McAllister: Der Zeitplan war ohnehin ambitioniert, durch die Pandemie gibt es eine völlig neue Lage. Es war schon vorher absehbar, dass man nicht alle Detailfragen der künftigen Beziehungen würde klären können, sondern Schwerpunkte setzen muss. Denn man darf nicht vergessen: ein Ergebnisentwurf soll bis Ende Oktober, spätestens Anfang November zur Ratifizierung vorliegen. Das sind jetzt gerade mal acht Monate. Die EU kann jetzt nur überzeugende Argumente für eine Verlängerung der Verhandlungen vortragen und hoffen, dass diese in London auf fruchtbaren Boden fallen.

https://www.nwzonline.de/interview/nwz-interview-mit-david-mcallister-dieses-geschundene-land-braucht-endlich-frieden_a_50,7,3391948550.html