Nordwest Zeitung: „EU ist nicht für die Lage an der Grenze verantwortlich“
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Nordwest Zeitung: „EU ist nicht für die Lage an der Grenze verantwortlich“

Von Andreas Herholz

An der türkisch-griechischen Grenze bahnt sich eine erneute humanitäre Katastrophe an. David McAllister, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, im NWZ-Interview über europäische Flüchtlingspolitik und türkische Drohungen.

Frage: Herr McAllister, an der türkisch-griechischen Grenze droht eine weitere Eskalation. Erleben wir jetzt eine Rückkehr der Krise von 2015?

McAllister: Es bahnt sich eine erneute humanitäre Katastrophe an. Den Menschen, insbesondere den Familien und Kindern, muss vor Ort geholfen werden. Gleichzeitig darf sich eine unkontrollierte Einreise von Hunderttausenden Flüchtlingen in die Europäische Union, wie wir sie im Jahr 2015 erlebt haben, nicht wiederholen.
Frage: Soldaten hindern Migranten mit Tränengas am Grenzübertritt. Ist das Europa 2020?

McAllister: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan versucht, die EU unter Druck zu setzen und die flüchtenden Menschen zu einem Spielball geopolitischer Interessen zu machen. Das dürfen wir nicht zulassen. Die EU und insbesondere Griechenland sind nicht für die angespannte Lage an der türkisch-griechischen Grenze verantwortlich.

Frage: Muss die EU auf die Forderungen von Präsident Erdogan eingehen und die Türkei stärker bei der Flüchtlingsaufnahme unterstützen?

McAllister: Die EU ist sich der enormen Anstrengungen der Türkei bei der Aufnahme und Verpflegung syrischer Flüchtlinge bewusst und unterstützt daher das Land seit 2016 enorm. Die EU hat bereits 6 Milliarden Euro für humanitäre Hilfe im Rahmen der EU-Fazilität für Flüchtlinge in der Türkei bereitgestellt, von denen 3,2 Milliarden Euro ausgezahlt wurden. Die weiteren 2,8 Milliarden Euro sind vertraglich zugesichert und werden der Türkei bis 2025 projektgebunden zugutekommen. Eine zusätzliche finanzielle Unterstützung müsste sich an den tatsächlichen Bedürfnissen der Hilfsorganisationen und insbesondere der betroffenen Menschen vor Ort orientieren.

Frage: Hat die EU ihre Versprechen beim Flüchtlingspakt mit der Türkei nicht erfüllt?

McAllister: EU hat sich vollständig an ihre Zusagen gehalten. Das erwarten wir ebenso von der Türkei.

Frage: Von einer gemeinsamen Flüchtlingspolitik und einem echten Schutz der Außengrenzen ist Europa immer noch weit entfernt. Hat die EU zu lange weggeschaut?

McAllister: Die EU hat in den vergangenen Jahren leider nur wenige Fortschritte in der europäischen Migrations- und Asylpolitik erzielt. Das liegt insbesondere an der Blockadehaltung einzelner Mitgliedstaaten.

Frage: Die Kämpfe im syrischen Idlib spitzen sich weiter zu. Wie lässt sich der Konflikt entschärfen?

McAllister: In Idlib stehen sich die Truppen der syrischen Armee, unterstützt von Russland, und die syrischen Rebellen, unterstützt durch die türkische Armee, gegenüber. Insbesondere Moskau ist für die fortwährende Eskalation der Lage in der Region verantwortlich. Deshalb sollte die Europäische Union, wenn möglich gemeinsam mit den Vereinigten Staaten, den Druck auf Moskau erhöhen, um einen Weg für politische Verhandlungen zur Beendigung dieses grausamen Krieges in Syrien zu ebnen.

https://www.nwzonline.de/interview/interview-mit-mcallister-eu-ist-nicht-fuer-die-lage-an-der-grenze-verantwortlich_a_50,7,2045025643.html