Interview mit der NOZ: „Der Brexit ist und bleibt ein historischer Fehler“
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Interview mit der NOZ: „Der Brexit ist und bleibt ein historischer Fehler“

Brüssel. David McAllister ist seit 2017 Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Europäischen Parlament. Im Interview mit unserer Zeitung kritisiert der CDU-Politiker die Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich, das bisher keine konkreten Vorschläge zur Lösung der Streitpunkte vorgelegt hat.

Premierministerin Theresa May will im März auch über eine Verschiebung des Brexit „für einen kurzen“ Zeitraum abstimmen lassen. Was kann eine solche kurze Verschiebung bringen?

Premierministerin May hat nun erstmals diese Möglichkeit eingeräumt, sollte das Austrittsabkommen im britischen Unterhaus erneut scheitern. Sie müsste jedoch zunächst begründen, wozu die vorgesehene „kurze Verlängerung“ konkret dienen soll. Ein solcher Weg wäre dann sinnvoll, wenn es durch das Verschieben des Austrittsdatums am Ende zu tragfähigen Ergebnissen für beide Seiten kommt.

EU-Ratspräsident Donald Tusk hat eine Verschiebung bis Ende 2020 ins Gespräch gebracht. Bis dahin könne man einen Vertrag aushandeln, der einen Backstop überflüssig machen würde. Ist das eine gute Idee?

Der sogenannte „Backstop“ käme im Fall eines geregelten britischen EU-Austritts erst nach einer Übergangsphase von 21 Monaten, die um weitere zwei Jahre verlängert werden könnte, zum Tragen. Und dies nur, sofern es bis dahin keine Lösung gibt, um eine sichtbare Grenze zwischen dem EU-Mitglied Irland und dem britischen Nordirland zu verhindern. Den Brexit um mehr als drei Monate zu verschieben bedeutet, dass das Vereinigte Königreich nach geltendem EU-Recht an der kommenden Europawahl Ende Mai teilnehmen müsste. So würden erneut britische Abgeordnete den nächsten Präsidenten der Europäischen Kommission mitwählen und über wichtige europapolitische Weichenstellungen zu Beginn der Legislaturperiode mitentscheiden. Das muss sorgfältig berücksichtigt werden.

Was kann die EU bis zu den Abstimmungen im März konkret tun, um Premierministerin May zu helfen, den Austrittsvertrag durch das Unterhaus zu bekommen? Muss die EU etwas ändern?

Das Austrittsabkommen ist das Ergebnis fast 18-monatiger Verhandlungen zwischen den Mitgliedstaaten der EU-27 und dem Vereinigten Königreich. Es stellt einen fairen und ausgewogenen Kompromiss dar, der die Interessen beider Seiten gleichermaßen berücksichtigt. Nachdem das britische Unterhaus dieses gemeinsam ausgehandelte Austrittsabkommen Anfang Januar abgelehnt hatte, liegt ist es nun an der britischen Seite, eine konstruktive Lösung aufzuzeigen. Die EU ist offen für zielführende Vorschläge. Aber London konnte bislang nicht überzeugend darlegen, wie eine harte Grenze auf der irischen Insel verhindert werden könnte.

Können Sie sich eine Konstellation vorstellen, bei der der Brexit abgesagt wird?

Den Verbleib des Vereinigten Königreiches in der EU würde ich sehr begrüßen. Der Brexit ist und bleibt ein historischer Fehler. Voraussetzung wäre in der Tat ein weiteres Referendum. Den Weg dorthin müsste das britische Unterhaus mehrheitlich entscheiden.

Es gibt Autonomiebestrebungen für die Zeit nach einem Brexit. Entsprechende Äußerungen gibt es immer wieder aus Schottland, aus Nordirland, sogar aus Wales. Ist das Vereinigte Königreich nach einem Brexit noch zusammenzuhalten?

Die ungewöhnlich polarisierende Kampagne vor der Abstimmung im Juni 2016 hat die vielschichtige Spaltung der britischen Gesellschaft offengelegt. Schottland und Nordirland haben im Gegensatz zu England und Wales mehrheitlich für den Verbleib in der EU gestimmt. Das Vereinigte Königreich war sich in dieser Frage also nicht einig. Die Debatte wird weiterhin emotional geführt.

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