David McAllister über Schulz‘ Vision, Macrons Vorschläge und die bevorstehenden Koalitionssondierungen.

Mit seinem Vorschlag, bis 2025 die „Vereinigten Staaten von Europa“ zu realisieren, macht SPD-Chef Martin Schulz derzeit Schlagzeilen. In der Union reagiert man reserviert. Der frühere niedersächsische Ministerpräsident, jetzige CDU-Europaabgeordnete und Vizepräsident der Europäischen Volkspartei, David McAllister (46), erklärte unserem Berliner Korrespondenten Werner Kolhoff die Gründe.

Vereinigte Staaten von Europa, ist das eine gute Idee?

David McAllister: Die Debatte ist unter den Vorgaben von Herrn Schulz so nicht zielführend. Das beschäftigt Politikwissenschaftler und Europarechtler. Aber weniger die Bürger. Sie erwarten jetzt konkrete Antworten mit konkreten Projekten.

Nun haben auch Churchill, Adenauer und Strauß schon von den Vereinigten Staaten von Europa gesprochen, nicht nur Politikwissenschaftler. Braucht Europa nicht wieder so eine Vision?

David McAllister: Ich bin für ein starkes, selbstbewusstes, dynamisches und vereintes Europa. Es geht jetzt darum, die EU fit zu machen für Gegenwart und Zukunft. Präsident Macron und Kommissionspräsident Juncker haben dazu wichtige Impulse gegeben. Nicht hilfreich finde ich es, Vorschläge für ein neues Europa mit Drohungen zu verbinden, wie Herr Schulz es getan hat.

Sie meinen seinen auf die Osteuropäer gemünzten Satz, dass wer gegen eine neue EU-Verfassung ist, dann eben ausscheiden soll. Warum ist das so schlimm?

David McAllister: Jean-Claude Juncker hat kürzlich von den zwei Lungenflügeln Europas – West und Ost – gesprochen. Wir haben in einigen Bereichen große Meinungsverschiedenheiten mit einigen osteuropäischen Staaten. Es ist unsere Aufgabe, sie davon zu überzeugen, dass wir als EU eine Wertegemeinschaft sind. Der falsche Weg wäre es, sie auszuschließen, auch geopolitisch. In Politikfeldern, wo wir uns in Europa nicht einig sind, sollten einige Mitgliedstaaten vorangehen. Aber immer so, dass später andere dazukommen können. Das haben wir auch beim Euro oder bei der Zusammenarbeit im Schengen-Raum so gemacht.

Für die anstehenden Koalitionsverhandlungen fordert die SPD, dass die neue deutsche Bundesregierung positiv auf die Vorschläge von Emmanuel Macron reagieren soll. Wie stehen Sie dazu?

David McAllister: Französisch-deutsche Initiativen zur Zukunft der Europäischen Union werden im nächsten Jahr sehr wichtig werden. Das ist ein weiterer wesentlicher Grund dafür, dass wir in Berlin eine handlungsfähige und stabile Bundesregierung brauchen. Die Vorschläge Präsident Macrons sind wichtig. Jetzt gilt es, sie in Ruhe analysieren. Eine engere Zusammenarbeit in der Wirtschafts- und Währungsunion ist geboten. Ein eigener europäischer Währungsfonds mit mehr Schlagkraft ist dafür eine gute Idee.

Stimmen sie auch der Forderung nach einem EU-Finanzminister zu?

David McAllister: Wir brauchen eine dauerhafte Stabilisierung der Eurozone. Die Eurozonenländer müssen wirtschaftlich stärker werden. Dazu müssen die gemeinsam vereinbarten Verabredungen des Wirtschafts- und Stabilitätspaktes von allen eingehalten werden. CDU und CSU werden auf der Basis unseres gemeinsamen Wahlprogramms in die Sondierungen mit der SPD gehen. Wir sind gegen eine Vergemeinschaftung von Schulden in Europa zu Lasten Deutschlands. Ein ausschließlich auf die Mitgliedstaaten der Eurozone bezogenes Budget lehne ich ab. Ein aufgewerteter Wirtschafts- und Währungskommissar und ein aufgewerteter EU Haushalt für Investitionen mit echtem europäischem Mehrwert sind sinnvoll.

Sie klingen so, als ob die Sondierungen an Europa jedenfalls nicht scheitern werden.

David McAllister: Wir haben zwar in Teilbereichen der Europapolitik unterschiedliche Auffassungen. Uns eint aber in Deutschland, dass Union, SPD, Grüne und FDP grundsätzlich proeuropäisch ausgerichtet sind. An der Europapolitik sollten mögliche Koalitionsverhandlungen am Ende nicht scheitern.