Wümme Zeitung: David McAllister: „Die EU muss besser werden“
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Wümme Zeitung: David McAllister: „Die EU muss besser werden“

Herr McAllister, hier und da sieht man auch in Lilienthal das Emblem mit den Europa-Sternen. Wie weit reicht Europa denn überhaupt in die Region hinein?

David McAllister: Europa fängt zu Hause in Lilienthal an. Niedersachsen liegt im Herzen unseres Kontinents. Wir profitieren wie kaum ein anderes Bundesland von den Vorzügen der europäischen Einigung: vom Frieden, von der Freiheit, vom Binnenmarkt und von unserer gemeinsamen Währung. Jeder einzelne Bürger, auch in Lilienthal, profitiert davon, dass wir EU-weit frei reisen, arbeiten, eine Ausbildung machen oder studieren können. Kommunen, Mittelstand und Landwirte profitieren von der EU-Förderung.

Auf dem Land sind vor allem Subventionen für die Landwirtschaft ein Thema. Bedarf die EU-Förderung nicht dringend einer Reform?

Die gemeinsame Agrarpolitik ist der älteste und finanziell bedeutendste Politikbereich der Europäischen Union. Die Direktzahlungen tragen dazu bei, dass das Einkommen der Landwirte gesichert wird. Landwirtschaftliche Unternehmen werden in Krisenzeiten unterstützt.

Daneben fördert die EU die Entwicklung des ländlichen Raums sowie ökologische Projekte und hilft so negative Umweltauswirkungen zu reduzieren. Auch die Landwirte im Landkreis Osterholz profitieren von den Agrar-Prämien. Gleichwohl ist manches zu kompliziert und muss unbürokratischer werden. Daran arbeitet die Kommission. Denn Landwirte beklagen sich zu Recht, dass sie zu viel Zeit am Schreibtisch und zu wenig auf dem Feld oder im Stall verbringen.

Die Datenschutzverordnung sorgt nach wie vor für Verunsicherung. In Lilienthal veröffentlicht die Kirche nicht einmal mehr die Namen des neu gewählten Kirchenvorstands.

Die Datenschutzgrundverordnung hat zum Ziel, personenbezogene Daten europaweit einheitlich zu schützen und einen gemeinsamen rechtlichen Rahmen zu schaffen. Dies ist für den gemeinsamen digitalen Binnenmarkt unerlässlich. Das Europäische Parlament hat – gegen die Stimmen meiner EVP-Fraktion – zusätzliche Auflagen zum ursprünglichen Textentwurf der Europäischen Kommission gemacht.

Dadurch ist Verunsicherung entstanden. Zu kaum einem anderen Thema habe ich in den vergangenen Monaten so viel Bürgerpost erhalten. Für die Umsetzung der Datenschutzrichtlinie sind jedoch die Mitgliedstaaten verantwortlich. Über die konkrete Auslegung herrschte bei Inkrafttreten der Verordnung bei uns in Deutschland noch Unsicherheit.

Wie kann man das besser machen?

Die anfängliche Verunsicherung bei den vielen Ehrenamtlichen kann ich nachvollziehen. Mittlerweile gibt es bei allen Landesdatenschutzbeauftragten, auch in Hannover, entsprechende Auskunftsportale, die Orientierung bieten. Die Behörden sollten bei Verstößen gegen die Datenschutzgrundverordnung mit Augenmaß vorgehen.

Datenschutz ist umso wichtiger je mehr der Onlinehandel boomt. Große Onlinedienstleister wie Amazon kommen in die Region und verdrängen regionale Händler. Was wollen Sie dagegen tun?

Für den wirtschaftlichen Erfolg des stationären Einzelhandels ist zunächst jeder einzelne von uns als Kunde verantwortlich. Wer alles online kauft, darf sich nicht wundern, wenn die Geschäfte vor Ort aufgeben. Wir brauchen EU-weit einen einheitlichen Rechtsrahmen für den digitalen Binnenmarkt.

Ein großer Erfolg der Digitalisierungspolitik in dieser Wahlperiode war beispielsweise die Abschaffung der Roaminggebühren. Jetzt können wir überall in der EU zu den gleichen Konditionen telefonieren, SMS schreiben und Datendienste nutzen, ohne dafür einen Cent mehr als zu Hause zu bezahlen. Auch beim Streaming wird niemand mehr hinter den Ländergrenzen ausgeschlossen und jeder kann seine Online-Abos europaweit nutzen.

Noch einmal zurück zu Amazon. Warum finden große amerikanische Firmen in Europa immer noch Steuerschlupflöcher?

Wer in Europa Geschäfte machen will, ist selbstverständlich dazu eingeladen. Aber diejenigen müssen auch entsprechend Steuern zahlen und einen aktiven Beitrag zur Finanzierung unseres europäischen Gemeinwesens leisten, für Bildung, Sicherheit und Soziales.

Dass amerikanische Großkonzerne im digitalen Markt die unterschiedlichen Steuergesetze in den Mitgliedstaaten zum Teil so ausnutzen, dass sie wenig bis gar keine Steuern zahlen, ist völlig inakzeptabel. Mitte Dezember hat das Europäische Parlament mit breiter Mehrheit dafür gestimmt, Digitalkonzerne stärker zu besteuern. In Steuerfragen liegt die Entscheidung letztendlich bei den Mitgliedstaaten, die einstimmig befinden müssen. Einigungen sind daher besonders schwierig. Vor allem Irland und einige skandinavische Länder haben hier zuletzt gebremst.

Die Ausweisung von EU-Naturschutzgebieten wie der Hammeniederung ist inzwischen so kompliziert, dass sie ganze Abteilungen in der Verwaltung beschäftigt. Geht das schlanker?

Nicht jedes Thema in Europa ist ein Thema für Europa. Die Europäische Union sollte sich auf die großen wesentlichen Aufgaben konzentrieren. Die FFH-Richtlinie macht Vorgaben zum Schutz von Flora und Fauna. Es soll ein Netz von geschützten Gebieten in Europa entstehen. Welche Gebiete tatsächlich ausgewiesen werden, melden die Mitgliedstaaten.

Niedersachsen ist im Verzug mit der Meldung von Naturschutzgebieten nach Brüssel. Jetzt drohen hohe Strafen. Das reicht zurück bis in Ihre Regierungszeit in Hannover. Hat Niedersachsen da etwas verschlafen?

Das kann ich nicht beurteilen. Generell gilt: Wir haben in Europa gemeinsame Regeln und die gelten für alle. Es gibt keine Staaten, die „gleicher“ sind als andere.

Im Mai ist Europawahl. Sie treten als Spitzenkandidat der Niedersachsen-CDU an. Warum sollten die Menschen wählen gehen?

Die Europäische Union steht vor einer Richtungsentscheidung. Sie steht für Frieden, Freiheit und wirtschaftlichen Wohlstand. Unsere demokratische Wertegemeinschaft stellen bestimmte politische Kräfte infrage: die Populisten, die Demagogen. Wie erfolgreich sie sein können, haben wir beim Brexit-Referendum 2016 gesehen.

Jetzt geht es darum, die pro-europäischen Parteien durch eine hohe Wahlbeteiligung zu unterstützen. Wir müssen aber auch darüber diskutieren, wie sich die Europäische Union weiterentwickeln soll. Die EU muss besser werden, demokratischer, transparenter, effektiver und wettbewerbsfähiger. Sie soll sich auf die großen, wesentlichen Aufgaben konzentrieren. Für die Mitgliedstaaten, die Regionen und die Kommunen soll Freiraum gelassen werden.

Das Interview führte Silke Looden.

Zur Person

David McAllister ist Spitzenkandidat der niedersächsischen CDU für die Europawahl. Seit 2014 ist der ehemalige niedersächsische Ministerpräsident Abgeordneter im Europaparlament, seit 2015 Vizepräsident der Europäischen Volkspartei (EVP). David McAllister (47) lebt mit seiner Familie in Bad Bederkesa (Kreis Cuxhaven).

Weitere Informationen

David McAllister kommt am 4. Januar nach Lilienthal. Auf Einladung der Volkshochschule nimmt er ab 18 Uhr an einer Podiumsdiskussion zur Zukunft Europas im Kulturzentrum Murkens Hof, Klosterstraße 25, teil.