Rhein-Neckar-Zeitung: „Das ist eine handfeste Regierungskrise“
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Rhein-Neckar-Zeitung: „Das ist eine handfeste Regierungskrise“

CDU-Europapolitiker David McAllister im RNZ-Interview über die Zustände in Großbritannien und die Erwartungen an Trump beim Nato-Gipfel

 

Von Tobias Schmidt, RNZ Berlin

Berlin. Der frühere niedersächsische Ministerpräsident David McAllister (47, CDU) ist derzeit Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament. Als Sohn eines schottischen Vaters hat er auch einen britischen Pass.

Herr McAllister, nach Brexit-Minister David Davis wirft auch der britische Außenminister Boris Johnson hin. Was bedeutet das für die Stabilität der britischen Regierung und die Brexit-Verhandlungen?

Der doppelte Rücktritt von David Davis und Boris Johnson in der entscheidenden Phase der Brexit-Verhandlungen ist ein sehr schwerer Schlag für Premierministerin Theresa May. Das ist eine handfeste Regierungskrise.

Ist Premierminister Theresa May mit ihrem Brexit-Kurs gescheitert? Droht jetzt das Chaos und braucht es womöglich eine Fristverlängerung von Seiten der EU für die Verhandlungen?

Die internen Auseinandersetzungen der britischen Regierung, die jetzt ihren Höhepunkt gefunden haben, belasten seit Monaten die Brexit-Verhandlungen. London muss konkrete Vorschläge machen, wie das Verhältnis zur EU künftig aussehen soll. Das setzt eine handlungsfähige und stabile Regierung voraus. Das Vereinigte Königreich wird am 29. März 2019 die Europäische Union verlassen. Bis zum EU-Gipfel am 18. Oktober bleiben nur noch 15 Wochen. Jetzt erwarten wir die detaillierten Vorschläge des Weißbuchs, was Frau May in den nächsten Tagen präsentierten will. Die Zeit drängt!

London will weiter einen uneingeschränkten Zugang zum Binnenmarkt. Ist das nicht im Interesse der EU und ihrer Mitgliedstaaten?

Die vier Grundfreiheiten des Binnenmarktes gibt es nur im Paket. Wer weiter uneingeschränkten Zugang zum Binnenmarkt haben will, muss auch die Freizügigkeit der EU-Bürger akzeptieren.

Wirbel gibt es um einen eigenmächtigen Brexit-Brief von Bundesinnenminister Horst Seehofer an die EU-Kommission. Treibt der CSU-Chef einen Keil in die EU?

Horst Seehofer weist darauf hin, dass die Sicherheitszusammenarbeit mit Großbritannien fortgeführt werden muss, etwa im Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Das steht im Verhandlungsmandat, das die Staats- und Regierungschefs dem EU-Chefunterhändler Michel Barnier erteilt haben. Die Sicherheitszusammenarbeit ist eine von mehreren Säulen unserer künftigen Beziehungen.

Seehofer will, dass dem Sicherheitsaspekt Vorrang eingeräumt wird…

Alle Verhandlungsbereiche sind wichtig. Die künftigen Beziehungen zum Vereinigten Königreich basieren auf vier Säulen: den Handels- und Wirtschaftsbeziehungen, der Zusammenarbeit in der Außen- und Verteidigungspolitik, thematischer Zusammenarbeit, z.B. bei grenzüberschreitenden Forschungsprojekten und eben der inneren Sicherheit. Diese werden am Ende als Gesamtpaket geschnürt.

Am Mittwoch beginnt in Brüssel der NATO-Gipfel. Wird US-Präsident Donald Trump seinen Auftritt nutzen, um den Streit über die Rüstungsausgaben auf die Spitze zu treiben?

Das Treffen ist auf der Arbeitsebene inhaltlich sehr gut vorbereitet. Aufgrund der Erfahrungen nach dem G7-Gipfel in Kanada ist nicht auszuschließen, dass Präsident Trump die Verteidigungsausgaben einzelner Nato-Partner offensiv kritisieren wird.

Was ist dran an der Kritik?

Der deutsche Verteidigungshaushalt wird deutlich erhöht und Kanzlerin Angela Merkel hat sich erst am Wochenende wieder zu den NATO-Vereinbarungen bekannt. Die Verteidigungsausgaben werden weiter erhöht, um sie in Richtung von zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu steigern. Die ausschließliche Fixierung auf das Ziel verstellt den Blick auf das, was Deutschland leistet. Gleichermaßen stärkt Deutschland zivile Instrumente der Außenpolitik und Entwicklungszusammenarbeit, um für Stabilität in unserer Nachbarschaft zu sorgen. Die Bundeswehr übernimmt seit langem viel Verantwortung im Ausland und wird der NATO bis 2032 drei einsatzbereite Heeresdivisionen mit je drei Brigaden zur Verfügung stellen. Das ist beachtlich!

Aus Brüssel reist Trump weiter nach Finnland, um sich dort mit Russlands Präsident Wladimir Putin zu treffen. Ist dem US-Präsidenten Moskau wichtiger als die NATO?

Präsident Trump sollte alles, was er mit Herr Putin besprechen will, zuvor mit den NATO-Bündnispartnern abstimmen. Die NATO unterstützt, dass mit Russland geredet wird. Der US-Präsident sollte die Haltung gerade der osteuropäischen NATO-Mitglieder berücksichtigen, die wegen des russischen Vorgehens in der Ukraine in großer Sorge sind. Daher ist es gut, dass der NATO-Gipfel vor dem Treffen Trumps mit Putin stattfindet.

Erwarten Sie von Trump in Brüssel ein klares Bekenntnis zur Bündnispflicht?

Trump sollte jedenfalls nicht vergessen, dass die Solidarität der NATO nicht nur im europäischen, sondern auch im US-Interesse ist. Das einzige Mal, dass der Bündnisfall ausgerufen wurde, war nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001.