Nordwest Zeitung: Der Brexit ist in jeder Hinsicht ein Fehler
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Nordwest Zeitung: Der Brexit ist in jeder Hinsicht ein Fehler

von Andreas Herholz, Büro Berlin

Für Europa ist der Brexit ein schwarzer Tag, für David McAllister, Außenexperte im Europaparlament und Besitzer eines deutschen und eines britischen Passes, erst recht. Im NWZ-Interview erklärt er, was er jetzt erwartet.

Frage: Herr McAllister, die Briten verlassen die EU. Ein schwarzer Tag für Europa?
McAllister: Das ist ein trauriger Moment. Zum ersten Mal in der Geschichte der Europäischen Union verlässt uns ein Mitgliedsland. Mit dem Vereinigten Königreich noch dazu ein großes, wirtschaftlich starkes Land. Der Brexit ist besiegelt. Jetzt gilt es, nach vorn zu schauen. Wir wollen unsere Beziehungen auf eine neue stabile Grundlage stellen. Dafür bleibt uns nicht viel Zeit.

Frage: Wie sollte die Partnerschaft künftig aussehen?
McAllister: Der britische Premierminister ist fest entschlossen, die Übergangsphase nicht über den 31. Dezember 2020 hinaus zu verlängern. So bleiben uns effektiv nur neun Monate Zeit, um die Verhandlungen für die neuen Beziehungen zu führen. In dieser Zeit werden sich nicht alle Details klären lassen. Man muss Prioritäten setzen. Unser Ziel ist eine enge, umfassende Partnerschaft, die weit über Handelsfragen hinausgeht. Von einer gemeinsam abgestimmten Außen- und Sicherheitspolitik bis hin zur Kooperation in den Bereichen Wissenschaft, Energie oder Fischerei.

Frage: Halten Sie eine Verlängerung der Übergangsfrist über 2020 hinaus für möglich?
McAllister: Bislang hat Premierminister Johnson dies kategorisch ausgeschlossen. Den jetzt entstandenen Zeitdruck hat London zu verantworten. Wir sind bereit, ab Anfang März rund um die Uhr zu verhandeln. Wir werden versuchen, so weit wie möglich zu kommen. Priorität für uns haben Fragen der sicherheitspolitischen Kooperation auf der einen Seite und auf der anderen Seite Wirtschafts- und Handelsfragen. Dazu gehört auch die nicht unerhebliche Frage der Fischereipolitik.

Frage: Mit den Briten verlässt einer der Nettozahler die EU. Muss vor allem Deutschland künftig deutlich höhere Beiträge leisten als bisher?
McAllister: Im Austrittsabkommen ist verbindlich geregelt worden, dass das Vereinigte Königreich alle finanziellen Verpflichtungen, die es als EU-Mitglied eingegangen war, umfassend begleichen wird. Natürlich verlässt mit den Briten ein wichtiger Beitragszahler die EU. Diese Lücke sollte geschlossen werden durch Einsparungen auf der einen Seite, auf der anderen Seite werden die anderen 27 Mitgliedstaaten die Lücke schließen müssen. Das wird auch jetzt eine wichtige Rolle bei den Verhandlungen zum mehrjährigen Finanzrahmen spielen.

Frage: Bleiben die Briten ein Einzelfall?
McAllister: Nach dem britischen Referendum haben die anderen 27 EU-Mitglieder erklärt, dass sie gemeinsam weitermachen wollen. Während der Brexit-Verhandlungen haben sich die EU-27 sehr geschlossen und einig gezeigt. Die politischen Turbulenzen auf der Insel haben deutlich gemacht, dass ein EU-Austritt ein anspruchsvolles Vorhaben ist und es sehr viele gute Gründe gibt, in der EU zu bleiben. Gemeinsam sind wir besser aufgestellt als allein.

Frage: Kommen die Briten irgendwann wieder zurück?
McAllister: Auf absehbare Zeit ist die Rückkehr in die EU keine realistische Option. Grundsätzlich bleibt die Tür zur Europäischen Union für das Vereinigte Königreich offen. Die Briten sind in der EU besser aufgehoben. Wir sagen nicht „Goodbye“, sondern „Auf Wiedersehen“! Ich finde die gesamte Entwicklung sehr bedauerlich. Der Brexit ist in jeder Hinsicht ein Fehler.

David McAllister  (49) ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament. Zuvor war der CDU-Politiker aus Bad Bederkesa von 2010 bis 2013 Ministerpräsident in Niedersachsen. Der Sohn einer Deutschen und eines Briten hat sowohl die doppelte Staatsbürgerschaft.

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