Klare Worte aus der EU: Undemokratische Wahlen in Venezuela- Veranstaltung der Hanns Seidel Stiftung
31291
post-template-default,single,single-post,postid-31291,single-format-standard,et_divi_builder,qode-social-login-1.1.2,qode-restaurant-1.1.1,stockholm-core-1.0.5,tribe-no-js,page-template-stockholm,select-theme-ver-9.6.1,ajax_fade,page_not_loaded,vertical_menu_enabled,menu-animation-underline,side_area_uncovered,,qode_menu_,et-pb-theme-stockholm,et-db,wpb-js-composer js-comp-ver-7.5,vc_responsive

Klare Worte aus der EU: Undemokratische Wahlen in Venezuela- Veranstaltung der Hanns Seidel Stiftung

Den vollständigen Artikel finden Sie auf der Seite der Hanns Seidel Stiftung unter: Undemokratische Wahlen in Venezuela (hss.de)

Die jüngsten Parlamentswahlen in Venezuela entsprachen in keiner Hinsicht den internationalen Standards für freie und faire Wahlen. Die Europäische Union erkennt die Wahlen, die von der demokratischen Opposition boykottiert wurden, deshalb nicht als legitim an.

Das Maduro-Regime hat nach und nach alle venezolanischen Institutionen unter seine Kontrolle gebracht. Die von Maduro-Gegnern dominierte Nationalversammlung bildete die einzige Ausnahme. Mit den Wahlen vom 6. Dezember 2020 wollte Maduro eine neue und maßgeschneiderte Legislative schaffen, um die Kontrolle über diese letzte demokratische Institution des Landes zu erlangen.

Der gesamte Prozess, der zu diesem Wahltag führte, war undemokratisch und von repressiven Maßnahmen gegen Oppositionspolitiker und deren Mitarbeiter und Familienangehörige sowie gegen Menschenrechtler, Gewerkschafter, Journalisten und alle diejenigen geprägt, die sich für die Rückkehr zu Demokratie und Rechtstaatlichkeit engagieren. Faire Wahlen waren unter diesen Bedingungen ausgeschlossen. Deshalb hat die Opposition unter Führung des Interimspräsidenten Juan Guaidó diese Wahlen boykottiert.

Trotz der staatlichen Propaganda und der Einschüchterungsversuche des Maduro-Regimes, nur solche Bürger mit Lebensmittelpaketen zu versorgen, die wählen, blieben die meisten Venezolaner der Wahlkabine fern. Der Nationale Wahlrat gab am Montag bekannt, dass die Wahlbeteiligung 31% betragen habe. Die Opposition zweifelt selbst diese sehr niedrige Zahl an und spricht von nur 18%.

Die Misswirtschaft unter Hugo Chavez (1999-2013) und Nicolás Maduro (seit 2013) und eine ideologiegetriebene Wirtschafts- und Finanzpolitik haben in Verbindung mit den dauerhaft niedrigen Ölpreisen auf dem Weltmarkt zu einem Zusammenbruch der venezolanischen Wirtschaft und einer Humanitären Notlage geführt. Das Fehlen von Nahrungsmitteln, Medikamenten und der landesweit zu beobachtende Kollaps der Infrastruktur, hier zuvorderst die Wasser- und Stromversorgung, haben in Verbindung mit der allgegenwärtigen Gewaltkriminalität und steigender Repression durch die Sicherheitskräfte zu einer großen Flüchtlingsbewegung geführt: Venezuela belegt mit über fünf Millionen Migranten und Geflüchteten nach Syrien Platz zwei weltweit. Bei knapp 30 Millionen Einwohnern bedeutet dies, dass jeder sechste Venezolaner auf der Flucht ist. Allein in Kolumbien leben derzeit 1,8 Millionen venezolanische Migranten und Geflüchtete und etwa noch einmal dieselbe Zahl in den drei Andenländern Ecuador, Peru und Chile, was deren Regierungen angesichts beschränkter Aufnahmekapazitäten und fehlender finanzieller Spielräume vor größte innenpolitische Herausforderungen stellt und die Region insgesamt destabilisiert.

Zum bereits katastrophalen Zustand des Gesundheitswesens in Venezuela kam im März die Covid-19 Pandemie hinzu. Außerdem leidet die Bevölkerung weiterhin unter massiven Einschränkungen der Meinungsfreiheit und Missachtung der Menschenrechte. Hierzu gehören u.a. die Verfolgung und Folter von Oppositionellen, willkürliche Inhaftierungen und außergerichtliche Hinrichtungen. Deshalb sieht der Internationale Strafgerichtshof, wie er erst kürzlich bekannt gab, starke Hinweise auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit und ermittelt gegen das venezolanische Regime und Machthaber Maduro. Auch die Menschenrechts-Kommissarin der Vereinten Nationen, Michelle Bachelet, hatte in einem umfassenden Sonderbericht im September tausende Fälle schwerster Menschenrechtsverletzungen dokumentiert und Maduro sowie die Minister für Inneres und Verteidigung namentlich als Verantwortliche für Verbrechen gegen die Menschlichkeit benannt. Sie hätten Kenntnis über die Vorgänge gehabt, diese jedoch nicht verhindert und in vielen Fällen direkte Befehle gegeben. Zudem stellte der Bachelet-Bericht einen systematischen Charakter der Vorfälle fest, was den Weg für eine Anklage gegen Maduro und seinen engsten Machtzirkel ebnet – zugleich aber den Spielraum für jegliche Verhandlungslösung noch weiter vermindert. 

Der Ruf nach politischer Veränderung, nach einem Ende von Maduros Herrschaft und einer Rückkehr zu Demokratie ist daher in Venezuela sehr laut. Interimspräsident Guaidó ist davon überzeugt, dass die große Mehrheit eine Veränderung des Regimes wolle, um auf diese Vielzahl an Krisen zu reagieren und die kriminellen Machenschaften der Machthabenden zu beenden. Die Tatsache, dass 8 von 10 Wählern seinem Aufruf zum Boykott der Wahlfarce gefolgt sind, zeigt, dass das Regime keinen Rückhalt mehr in der Bevölkerung hat.

Trotz massiver Einschüchterungen und Androhung von Festnahmen hatte die Opposition als Antwort dazu aufgerufen, im Rahmen einer von ihr ohne Einbeziehung der gleichgeschalteten staatlichen Stellen organisierten „Volksbefragung“, an der sowohl auf traditionellem Wege als auch virtuell über die App Telegram teilgenommen werden konnte, das Mandat der demokratisch gewählten Nationalversammlung symbolisch zu verlängern. Diese fand vom 7. bis 12. Dezember statt. Neben dem wichtigen Zeichen einer breiten Unterstützung der Venezolaner für Guaidós Weg einer politischen Transition und der Rückkehr zur Demokratie ging es auch darum, die Bevölkerung zu reaktivieren und auf das weitere Ringen um die Zukunft des Landes einzuschwören. Zugleich soll aus ihr ein Appell an die internationale demokratische Staatengemeinschaft entspringen, sich stärker als bislang für Venezuela und seine Menschen zu engagieren – und die Bevölkerung vor dem Hintergrund der humanitären Notlage, schwerster Verletzungen der Menschenrechte und Verbrechen gegen die Menschlichkeit aktiver zu schützen (Mehr Informationen auf Englisch: Pressemitteilung und Bericht der unabhängigen internationalen Informationsmission der Vereinten Nationen in Venezuela).

Fast sieben Millionen Venezolaner beteiligten sich schließlich an diesem symbolischen Akt der politischen Willensbekundung – und damit deutlich mehr, als an der zweifelhaften Parlamentswahl kurz zuvor. Dies ist als großer Erfolg zu bewerten, zumal diese Befragung des Volkes gegen den Widerstand des Regimes und in einem sehr feindlich gesinnten Umfeld stattfand. Nicht wenige von der Opposition geschaffene behelfsmäßige Wahllokale waren von dem Regime nahestehenden paramilitärischen Gruppen (Colectivos) besetzt und Wahlhelfer im ganzen Land bedroht und eingeschüchtert worden. Aufgrund der Ausgestaltung der Fragen stand von vornherein fest, dass nahezu 100 Prozent derjenigen, die an der Volkbefragung teilnehmen auch alle Fragen bejahen würden. Dadurch wurde die Wahlbeteiligung zum direkten Gradmesser der Unterstützung für die Opposition, die nicht zuletzt durch den massiven Aderlass der millionenfachen Migration und Flucht strukturell geschwächt ist.

Die EU setzt weiterhin auf Sanktionen gegen Einzelpersonen, die Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit in Venezuela untergraben. Inzwischen stehen 36 Amtsträger des Maduro-Regimes auf der Sanktionsliste. Die Maßnahmen umfassen Reiseverbote und das Einfrieren von Vermögenswerten. Zusätzlich leistet die EU humanitäre Hilfe für die venezolanische Bevölkerung. Dies wird sowohl im Land selbst geschehen, soweit dies möglich ist, als auch weiterhin in den Nachbarstaaten, in die inzwischen über fünf Millionen Venezolaner geflohen sind.  

In Bezug auf die Wahlen vom 6. Dezember fanden der Vorsitzende der Hanns-Seidel Stiftung, Markus Ferber, MdEP und der Vorsitzende des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten des Europäischen Parlaments, David McAllister, MdEP sehr klare Worte: Die EU könne die Wahl nicht akzeptieren und erkenne das Wahlergebnis nicht an. Deshalb werden sie auch nach dem 5. Januar 2021 Juan Guaidó als Interimspräsident anerkennen, bis eine legitime Wahl stattgefunden habe.

Dieser Position schlossen sich inzwischen auch viele andere westlichen Demokratien an: Sie werden die bisherige von der Opposition dominierte Nationalversammlung unter Guaidós Führung auch in der neuen Legislaturperiode ab 6. Januar 2021 als solche weiter anerkennen.