Gastbeitrag in der WELT: Nato-Truppen schneller bewegen
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Gastbeitrag in der WELT: Nato-Truppen schneller bewegen

Ab Mittwoch treffen sich die Staats- und Regierungschef der Nato-Mitglieder in Brüssel. Durch die jüngsten Äußerungen des amerikanischen Präsidenten könnte dieses Treffen anders als sonst verlaufen. Der Zusammenhalt im Bündnis als Ganzes erfährt eine Belastungsprobe. Dabei ist der Handlungsbedarf bei ganz konkreten Themen so groß wie lange nicht mehr.

Als Folge der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 konzentriert sich die Nato wieder auf die Bündnisverteidigung. Der weiterhin schwelende Konflikt in der Ostukraine macht deutlich, wie instabil die direkte europäische Nachbarschaft immer noch ist. Die Bedrohungswahrnehmung unserer osteuropäischen Partner, vor allem in Polen und den baltischen Staaten, ist besonders groß. Da 22 EU-Mitgliedstaaten auch Nato-Bündnispartner sind, wird eines der wichtigen Themen dieses Gipfels die verbesserte Zusammenarbeit zwischen den beiden Organisationen sein. Bereits beim letzten Nato-Gipfel in Warschau 2016 wurde ein langer Katalog an Kooperationsprojekten mit der EU verfasst. Doch es bleibt weiterhin viel zu tun. In einem komplexen Sicherheitsumfeld, das ebenso von klassischen als auch hybriden und nicht staatlichen Bedrohungen geprägt ist, haben sowohl EU als auch Nato sich ergänzende Stärken. Deshalb gilt es, die Kooperation zwischen den beiden Organisationen weiter zu verbessern.

Ein plastisches Beispiel hierfür ist der Transport von militärischen Fahrzeugen, Gütern und Personal durch Europa. Während die Nato-Truppen während des Kalten Krieges im Verteidigungsfall nur wenige Kilometer bis zur innerdeutschen Grenze zurücklegen mussten, hat sich das Szenario grundlegend geändert. Alliierte Verbände, die beispielsweise in Bremerhaven ausgeladen werden, müssen im Zweifelsfall über 2000 Kilometer nach Estland verlegt werden. Beim regelmäßigen Austausch der vier im Baltikum stationierten Nato-Battlegroups zeigt sich, mit wie vielen Problemen dies verbunden ist. Wochenlang im Voraus müssen Transportgenehmigungen, Zollanmeldungen und diplomatische Freigaben eingeholt sowie Dutzende verschiedener Formulare, die sich in jedem Land unterscheiden, ausgefüllt werden. Auch die Vorschriften für den Transport militärischer Gefahrgüter wie Munition oder Kraftstoffe unterscheiden sich je nach Land zum Teil erheblich.

Doch neben den rechtlichen und verfahrenstechnischen Aspekten stellt auch dieVerkehrsinfrastruktur selbst eine große Herausforderung dar. Viele Brücken sind nicht für den Transport schweren Geräts ausgelegt, es gibt zu viele Engstellen sowie regelmäßig Kreuzungen mit zu kleinem Abbiegeradius für militärische Schwertransporte. Auch der Schienentransport funktioniert bei militärischen Gütern noch nicht immer reibungslos. Die Zahl der Bahnwagen in der EU ist für die Verlegung großer Gefechtsverbände nicht ausreichend, es gibt nur unzureichend Be- und Entladestationen für militärisches Material, und die administrativen Abläufe unterscheiden sich von Staat zu Staat.

Die Nato trägt auch weiterhin die Hauptverantwortung für die kollektive Verteidigung ihrer Mitglieder. Beide Organisationen nutzen aber die gleiche Verkehrsinfrastruktur. Sie ist ein entscheidender Faktor für die rasche Entfaltung militärischer Präsenz. Nur wenn Truppen schnell verlegt werden können, ist Abschreckung auch glaubwürdig. Wir können es uns nicht erlauben, dass militärische Transporte, wenn es darauf ankommt, durch bürokratische Hürden und unzureichende Transportnetze gebremst werden. Die Gewährleistung der Sicherheit hat für die EU oberste Priorität.

Deshalb arbeiten wir im Europäischen Parlament derzeit an einem Bericht zur Verbesserung der militärischen Mobilität. Im nächsten mehrjährigen Finanzrahmen der EU von 2021 bis 2027 sind insgesamt 30,6 Milliarden Euro zur Verbesserung grenzüberschreitender Verkehrswege vorgesehen. Angedacht ist es, 6,5 Milliarden Euro zur Verbesserung der militärischen Mobilität auszugeben. Letztendlich dient die Verstärkung von Brücken und anderen Verkehrswege ebenso allen zivilen Nutzern.