EU und NATO müssen jetzt enger zusammenarbeiten!
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EU und NATO müssen jetzt enger zusammenarbeiten!

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine stellt die Friedens- und Sicherheitsarchitektur in Europa auf die härteste Probe seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Der politische Westen zeigt sich entschlossen und geschlossen, diese Attacke auf unsere Werte von Frieden, Freiheit, Demokratie und Selbstbestimmung entgegenzutreten.

David McAllister is Vorsitzender des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten (AFET) im Europäischen Parlament. 

Der Kreml hat bisher keines seiner Ziele erreicht. Im Gegenteil: durch Putins Krieg ist die NATO so geeint, wie seit langem nicht mehr. Es gibt eine bemerkenswerte Zusammenarbeit zwischen den EU-Mitgliedstaaten und ihren engsten militärischen Verbündeten, den Vereinigten Staaten von Amerika, Kanada, dem Vereinigten Königreich, sowie mit weiteren Demokratien auf der Welt wie Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland. In einem veränderten geopolitischen Umfeld haben Finnland und Schweden die historische Entscheidung getroffen, offiziell Anträge für eine NATO-Mitgliedschaft zu stellen. Deutschland wird endlich seinen Verteidigungsetat mit Blick auf das 2-Prozent Ziel der NATO nachhaltig aufstocken und hat ein Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr auf den Weg gebracht. Die Menschen in Dänemark haben in einem Referendum für einen Beitritt zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU (GASP) gestimmt. Das sind weitreichende Veränderungen innerhalb einer sehr kurzen Zeit. Überall in Europa gewinnt die Sicherheits- und Verteidigungspolitik enorm an Bedeutung.

Der bevorstehende NATO-Gipfel am 29. und 30. Juni in Madrid muss dazu dienen, dieses Momentum zu nutzen. An diesem geopolitischen Wendepunkt sind die Ziele und Prioritäten der Europäischen Union und der NATO in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik lückenlos aufeinander abzustimmen. In Madrid wird die NATO ihr achtes Strategisches Konzept verabschieden. Darin werden die erforderlichen Schritte für die euro-atlantische Sicherheits- und Verteidigungspolitik in den nächsten zehn Jahren dargelegt. Vor drei Monaten hat die Europäische Union mit dem Strategischen Kompass bereits ein ähnliches Grundlagenpapier beschlossen. Diese beiden zukunftsweisenden Dokumente müssen nun zu einer gemeinsamen strategischen Vision führen. Dabei gilt: Jede Organisation macht das, was sie am besten kann. Nichts darf doppelt gemacht werden und nichts unerledigt bleiben. Dazu sollte die Arbeit an einer dritten gemeinsamen EU-NATO-Erklärung zügig abgeschlossen werden. Sie baut auf die Erklärungen von Warschau (2016) und Brüssel (2018) auf.

Das transatlantische Verteidigungsbündnis ist und bleibt das Fundament der kollektiven Verteidigung ihrer Mitglieder. Vom NATO-Gipfel muss ein uneingeschränktes Signal in Richtung Moskau ausgehen, dass jeder Quadratzentimeter des Territoriums gemeinsam verteidigt wird. Die transatlantische Partnerschaft und Artikel 5 des Nordatlantikvertrags sind die unverzichtbaren Pfeiler unserer Sicherheitsarchitektur in Europa. Der jetzt angekündigte Ausbau der schnellen Eingreiftruppen ist absolut geboten.

Zeitgleich gilt es in der Europäischen Union, eigene militärischen Fähigkeiten aufzubauen. Dies hat zwei Gründe. Erstens ist nicht garantiert, dass der uneingeschränkte amerikanische Beistand zu jeder Zeit vorhanden ist. Die US-Präsidentschaft unter Donald Trump waren für uns in Europa mahnende vier Jahre. Zweitens richtet sich der außen- und sicherheitspolitische Fokus der Vereinigten Staaten zunehmend auf den Pazifik. Der „Pivot to Asia“ ist bereits unter Präsident Obama eingeleitet worden. Daher müssen wir in Europa schrittweise eigene Kapazitäten aufbauen, um unsere eigenen Sicherheitsinteressen verfolgen zu können. Es gilt dabei, den europäischen Pfeiler innerhalb des transatlantischen Verteidigungsbündnisses zu stärken.

Die 27 EU-Staats- und Regierungschefs haben nach dem 24. Februar betont, mehr Verantwortung für die eigene Verteidigung und Sicherheit zu übernehmen. Es ist ein erster Schritt und gleichzeitig ein wichtiges Signal, dass die vier neuen NATO Battlegroups in Bulgarien, Ungarn, Rumänien und der Slowakei von europäischen Ländern geführt werden. Die bereits bestehenden vier multinationalen Truppenverbünde in den baltischen Staaten und Polen werden von drei nicht-europäischen Staaten – den USA, das Vereinigte Königreich und Kanada – verantwortet. Es gilt, eine sicherheits- und verteidigungspolitisch robustere Europäische Union zu entwickeln, die einen erheblichen Mehrwert für die NATO bietet. In diesem Zusammenhang haben nahezu alle EU-Mitgliedstaaten angekündigt, ihre Verteidigungsausgaben zu erhöhen. Entscheidend ist, dass die Länder nicht nur insgesamt mehr für die Sicherheit und Verteidigung ausgeben, sondern Investitionen sinnvoll europäisch abstimmen. So können die von der EU und der NATO gemeinsam festgestellten Kapazitätslücken effizienter geschlossen und Schlüsselprioritäten gemeinsam verfolgt werden. Es geht darum, unsere europäische Verteidigungsindustrie langfristig zu stärken. Das ist Aufgabe der EU. Sie kann dabei viele Maßnahmen direkt unterstützen. Dazu gehört der Vorschlag, eine Taskforce mit den Mitgliedstaaten einzurichten, um den unmittelbaren Nachschub- und Beschaffungsbedarf zu koordinieren. Der Einkauf von Material, Ausrüstung und Waffen sollte künftig gemeinorientiert sein. Dabei sind die Regeln des Binnenmarktes flexibel auszulegen. So könnte die gemeinsame Beschaffung zukünftig von der Mehrwertsteuer befreit werden. Das bietet echte finanzielle Anreize für die Mitgliedstaaten, gemeinsam vorzugehen, statt individuell zu handeln. Nationale Eitelkeiten müssen der Vergangenheit angehören.

Der NATO-Gipfel in Madrid ist ein wichtiger Meilenstein bei der Ausrichtung auf ein neues geopolitisches Umfeld. Die NATO und die EU sind immer vielfältigeren Sicherheitsbedrohungen auseinandergesetzt. Dazu gehören der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, transnationaler Terrorismus, Cyberangriffe, das zunehmend aggressivere Auftreten Chinas sowie die Auswirkungen des Klimawandels auf die Sicherheit. Nur gemeinsam können die Mitglieder der Europäischen Union und der NATO die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts bewältigen. Transatlantisch bleiben, europäischer werden – das ist der richtige Weg!

Dieser Text wurde am 28.6.2022 auf Euractiv.de veröffentlicht: https://www.euractiv.de/section/eu-aussenpolitik/opinion/eu-und-nato-muessen-jetzt-enger-zusammenarbeiten/