Die USA haben gewählt: Die Chance für ein stärkeres Bündnis zwischen den Vereinigten Staaten und Europa sollte jetzt ergriffen werden
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Die USA haben gewählt: Die Chance für ein stärkeres Bündnis zwischen den Vereinigten Staaten und Europa sollte jetzt ergriffen werden

Die Atlantik-Brücke gratuliert den Vereinigten Staaten von Amerika zur Wahl von Joe Biden zum 46. Präsidenten der USA. Das Ergebnis der Präsidentschaftswahl wurde nach einem langen Kopf-an-Kopf-Rennen mit Spannung erwartet. Auch auf dieser Seite des Atlantiks wurden dieser beispiellose Wahlkampf, die Kandidaten und der Wahlprozess so genau verfolgt und intensiv kommentiert wie kaum ein amerikanischer Wahlkampf zuvor. Für die transatlantischen Beziehungen steht viel auf dem Spiel. Unsere Aufgabe als Europäer ist es, den Dialog zu suchen und die Zusammenarbeit mit den USA aktiv mitzugestalten – unabhängig davon, welcher demokratisch gewählte Präsident im Amt ist. Dass Joe Biden angekündigt hat, die Beziehungen zu den europäischen Partnern zu intensivieren, begrüßen wir ausdrücklich. Unsere Beziehung zu den USA ist angesichts unserer immensen sicherheits- und handelspolitischen Verbindungen, aber auch unserer gemeinsamen freiheitlichen Werte in einer Welt, in der Autokraten Aufwind haben, so wichtig wie kaum je zuvor.


Die Beziehung zu den USA hat sich verändert; dies liegt nicht nur an der Abkühlung des Verhältnisses während der letzten vier Jahre, sondern an einer langfristigen Verschiebung der globalen Machtachsen in Richtung Asien und einer veränderten Rolle der Vereinigten Staaten in der Welt. Auch unter einem neuen Präsidenten werden sich die Schwierigkeiten und Heraus- forderungen im transatlantischen Verhältnis nicht über Nacht in Luft auflösen. Es ist nun vor allem an Europa, dafür zu sorgen, dass die transatlantische Partnerschaft für beide Seiten nicht nur wichtig, sondern auch wünschenswert bleibt. Das kann nur mit einem geeinten Europa und mit einer gezielt auf unsere gemeinsamen Interessen ausgerichteten Agenda ge- schehen. Unsere gemeinsamen freiheitlich-demokratischen Werte bilden dabei weiterhin das Fundament.


In folgenden Punkten sollten nun schnellstmöglich die Gespräche aufgenommen werden:


• Gemeinsame Sicherheitspolitik
Deutschland und Europa dürfen den USA nicht als „Free rider“ begegnen. Die USA sind müde, Kriege für andere zu führen – die Präsidentschaft Donald Trumps war unter ande- rem Ausdruck des in Amerika weit verbreiteten Unmutes darüber. Wir sind verteidigungs- politisch angewiesen auf die enge Zusammenarbeit mit den USA. Indem Europa seinen Anteil an der Zusammenarbeit in der NATO und seine eigenen Fähigkeiten darüber hinaus stärkt, kann es für die neue Administration wieder ein enger Partner werden, dessen Anlie- gen gleichermaßen auch mehr Gewicht zugemessen wird.


Gemeinsam müssen sich Europa und die USA außerdem die Erneuerung des nuklearen Nichtverbreitungsregimes vornehmen. In einer Welt unberechenbarer Akteure müssen wir unsere Prinzipien und Werte verteidigen und gemeinsam Schranken aufzeigen.


Eine Strategie gegen die Pandemie
Wir haben gesehen, wie die Pandemie zu Tod und Leid führte, für den Stillstand ganzer Gesellschaften und Wirtschaften sorgte. Die Antwort muss ein gemeinsam koordiniertes Vorgehen sein. Statt uns als Konkurrenten zu gerieren und dadurch die Menschen überall auf der Welt zu gefährden, müssen wir transatlantisch bei der Impfstoffentwicklung und – herstellung zusammenarbeiten und die Folgen des Virus gemeinsam bewältigen. Wir sind zuversichtlich, dass die neue Administration auch die Zusammenarbeit innerhalb der WHO wieder aufnehmen wird.


• Klimaschutz
Ohne die USA ist der Kampf gegen den Klimawandel aussichtslos. Joe Biden hat bereits im Wahlkampf deutlich gemacht, dass der Klimaschutz eines seiner zentralen Anliegen ist. Die USA müssen zurückkehren zum Pariser Klimaabkommen.
Gleichzeitig müssen Europa und die USA in der Erforschung und Entwicklung regenerativer Energie und grüner Technologie zusammenarbeiten. Außerdem müssen wir gemeinsam über eine europäisch-amerikanische Energieinfrastruktur nachdenken.


• Multilateralismus
Wir sollten eine Rückkehr zum Multilateralismus vorantreiben. Dazu gehört die Zusammenarbeit in Institutionen wie den Vereinten Nationen und der Welthandelsorganisation. Nötige Reformen müssen auf Augenhöhe mit allen Akteuren abgestimmt werden.


• Eine gemeinsame Chinastrategie
Deutschland und Europa müssen mit den USA eine breite gemeinsame China-Strategie entwickeln. Diese muss handelspolitische Komponenten haben, um der Konkurrenz durch China gemeinsam begegnen zu können. Wir brauchen die Wiederaufnahme von Verhandlungen eines fairen Handels- und Investitionsabkommens – auch wenn wir weiterhin mit Differenzen, z.B. im Bereich Landwirtschaft – rechnen müssen.
Eine engere Kooperation im Bereich Digitalisierung vis-à-vis China ist ebenfalls unabdingbar. Der Streit über die Nutzung chinesischer Technologie beim Ausbau der 5G-Netze sollte produktiv gewendet und durch enge Zusammenarbeit in der Schaffung einer eigenen digitalen Infrastruktur beantwortet werden.

Auch die strategische Zusammenarbeit bezüglich weiterer Allianzen müssen wir zusammen angehen und den afrikanischen Staaten eine faire Alternative zum chinesischen Seidenstraßen-Projekt anbieten.


• Zivilgesellschaft
Sowohl Deutschland als auch die USA sind in einem gesellschaftlichen Wandel begriffen: Die Bevölkerung gewinnt an Diversität. Wir können voneinander lernen, wie unsere Gesellschaften inklusiver werden können und insbesondere den Stimmen Gehör schenken, die bislang nicht in den transatlantischen Beziehungen zu Wort gekommen sind.


Die 1952 gegründete Atlantik-Brücke hat das Ziel, die Zusammenarbeit zwischen Deutschland, Europa und Amerika zu vertiefen. Als gemeinnütziger und überparteilicher Verein stärkt die Atlantik-Brücke den Austausch zwischen Politik und Unternehmen, aber auch zwischen jungen Führungskräften und Vertretern der Zivilgesellschaft jenseits der Parteilinien. Die Atlantik-Brücke bietet eine Plattform für unterschiedliche Perspektiven und eine lebendige Debatte.