Europa-Newsletter Februar 2021

Jeder von uns spürt die wachsende Ungeduld und Ermüdung nach fast einem Jahr Pandemie. Das Virus ist die Bedrohung und der Impfstoff wird uns hoffentlich dabei helfen, das Pandemiegeschehen einzudämmen, die Gesundheit der Bürger zu schützen und Unternehmen vor weiteren wirtschaftlichen Schäden zu bewahren. In diesem Kontext hat am Mittwoch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die gemeinsame europäische Impfstrategie gegen COVID-19 vor dem Plenum erläutert. Zudem wurde ein wichtiger Schritt unternommen, den 750 Milliarden Euro schweren Aufbaufonds „Next Generation EU“ umzusetzen. Diese Mittel müssen jetzt zügig an die Menschen und Regionen gehen, die am stärksten von der Pandemie betroffen sind. Gleichzeitig müssen wir bei der Rückzahlung der Schulden schon jetzt an zukünftige Generationen denken.

EU-Impfstrategie auf dem Prüfstand

Am Mittwoch haben wir im Plenum mit Kommissions-präsidentin Ursula von der Leyen über die Impfstrategie der EU debattiert. Im Zentrum der Diskussionen standen die Impfdosenlieferungen, die Verträge mit den Herstellern sowie damit verbundene Fragen der Transparenz und das neue EU-Exportkontrollsystem für Impfstoffe.

Die Europäische Union hat entschieden, eine gemeinsame Impfstrategie zu verfolgen. Es geht darum, solidarisch zu sein und ein innereuropäisches Wettrennen auf den ohnehin knappen Impfstoff zu vermeiden. Es wurden sowohl Verträge mit jungen Unternehmen als auch mit etablierten Pharmaherstellern abgeschlossen und so auf verschiedene Produktionstechnologien gesetzt. Dadurch sind die Chancen höher, alle Interessierten möglichst frühzeitig mit Impfstoff versorgen zu können. Zugelassen wurden bereits die Impfstoffe von Moderna, BioNTech/Pfizer und AstraZeneca. Darüber hinaus verhandelt die Kommission derzeit mit dem US-Hersteller Novavax.

Mit insgesamt sechs verschiedenen Herstellern wurden Verträge über insgesamt 2,3 Milliarden Impfstoffdosen abgeschlossen. Insgesamt werden im ersten Quartal 100 Millionen Dosen an die Mitgliedstaaten geliefert, davon wurden bereits 18 Millionen Dosen verteilt. Im zweiten Quartal sollen die Mitgliedstaaten weitere 300 Millionen Dosen erhalten.

Die Entwicklung eines Impfstoffes innerhalb von weniger als zwölf Monaten ist ein großer Erfolg. Gleichzeitig lernt man aber auch dazu. Die vorrangigen Probleme beim Fortschritt der Impfungen liegen jedenfalls nicht bei den Bestellungen. Das Nadelöhr sind die Produktionskapazitäten und Zulieferketten. Jetzt gilt es, die Impfstoffverteilung zu optimieren und noch bestehende logistische Herausforderungen zu bewältigen.

Es war immer klar, dass unmittelbar nachdem die Impfstoffe zugelassen sind, noch nicht genügend Impfdosen für alle EU-Bürger vorhanden sein können. Welche Schwierigkeiten und Engpässe in der Massenproduktion der Impfstoffen auftreten können, hat die Kommission allerdings unterschätzt. „Wir waren später dran bei der Zulassung als andere Länder. Wir waren zu optimistisch bei der Massenproduktion. Und vielleicht waren wir uns zu sicher, dass das Bestellte auch tatsächlich pünktlich geliefert wird“, sagte Ursula von der Leyen.

Darüber hinaus fehlte in den letzten Wochen eindeutig die Transparenz darüber, wohin der in der EU produzierte Impfstoff ausgeliefert wird. In der jetzigen Zeit ist es jedoch unerlässlich, diese Lieferströme zu kennen. Mit einer kürzlich verabschiedeten Verordnung werden die in der EU ansässigen Pharma-Unternehmen nun verpflichtet, die Menge, das Datum und das Bestimmungsland von EU-Impfstoffexporten öffentlich zu machen. Verlässlichkeit und Planungssicherheit sind jetzt besonders wichtig.

Sehen Sie hier das Video der Debatte.

Streit um das Protokoll zu

Irland und Nordirland

In der Diskussion um Impfstofflieferungen von AstraZeneca, hatte die Kommission in einem Entwurf für ein Transparenz- und Genehmigungsmechanismus hinsichtlich der Ausfuhr von COVID-19-Impfstoffen erwogen, Artikel 16 des Protokolls zu Irland und Nordirland anzuwenden.

Dieser Artikel 16 ermächtigt einseitige Schutzmaßnahmen einzuführen, sofern: „die Anwendung des Protokolls zu schwerwiegenden und voraussichtlich anhaltenden wirtschaftlichen, gesellschaftlichen oder ökologischen Schwierigkeiten oder zur Verlagerung von Handelsströmen“ führt.

Die Kommission hat diese Entscheidung am Freitag Abend (29. Februar) nach knapp drei Stunden umgehend wieder rückgängig gemacht. Dennoch sorgt dieser Vorgang für ein politisches Nachbeben. Mittlerweile hat die Kommission ihren Fehler eingeräumt. Ursula von der Leyen sagte in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung wörtlich, „dass die Kommission nicht einmal über Artikel 16 hätte nachdenken sollen.“

Dieser bedauerliche Fehler sollte aber nicht zu einer grundsätzlichen Infragestellung des Protokolls zu Nordirland führen. Dieser schwierige politische Kompromiss ist sozusagen die Quadratur des Kreises in Anbetracht der angespannten Lage auf der irischen Insel, so habe ich es am Sonntag im BBC Radio formuliert.

Zur Erinnerung: das Protokoll zu Irland und Nordirland

• vermeidet eine harte Grenze zwischen Irland und Nordirland,

• ermöglicht reibungslose Wirtschaftsabläufe auf der gesamten irischen Insel,

• hält das Karfreitagsabkommen (Belfast Abkommen) in all seinen Aspekten aufrecht und

• gewährleistet die Integrität des EU-Binnenmarktes für Waren.

Die aktuellen Schwierigkeiten sind zuallererst eine direkte Konsequenz aus der Art des Brexit selbst. Ein reibungsloser Handel - wie zuvor - kann schlichtweg nicht mehr gewährleistet werden. Die eigentlichen Gründe für den medialen und politischen Aufruhr sind die praktischen und politischen Herausforderungen, die die britische Regierung hat, um das Protokoll zu Nordirland korrekt und vollständig umzusetzen. Anstatt das Protokoll in Frage zu stellen, sollten Lösungen für die noch offenen Fragen gefunden werden.

Die neuen Regelungen sind erst seit fünf Wochen wirksam. Anscheinend haben sich die britischen Unternehmen nicht ausreichend auf die anstehenden Veränderungen eingestellt. Darüber hinaus: London hat es versäumt wichtige Schritte einzuleiten. So wurde der EU immer noch nicht der Zugang zum britischen IT-Zollsystem ermöglicht, wodurch EU-Beamte daran behindert werden, die Warenströme über die Irische See in Echtzeit zu überwachen.

Das Protokoll bietet genügend Flexibilität, um die Handelshemmnisse an den Grenzen zu minimieren. Je früher alle Möglichkeiten genutzt werden, desto besser.

Kommissionvizepräsident Maroš Šefčovič wird dazu am heutigen Donnerstag nach London reisen, um den Prozess zu beschleunigen. Er steht mit dem britischen Staatsminister Michael Gove im engen Kontakt. Beide Seiten wollen intensiv an Lösungen für noch offene Fragen zur Umsetzung des Protokolls arbeiten.

Mein Interview im Radio BBC 4 am 7. Februar finden Sie hier (ab 16:55 Min.).

Europäisches Parlament gibt grünes Licht für Corona-Aufbauplan

Am Mittwoch hat das Europäische Parlament die sogenannte Aufbau- und Resilienzfazilität mit 582 zu 40 Stimmen bei 69 Enthaltungen angenommen. Die Fazilität bildet das Herzstück des 750 Milliarden Euro schweren europäischen Corona-Aufbauplans „Next Generation EU“. Die Mittel werden in Form von Darlehen (360 Milliarden Euro) und Zuschüssen (312,5 Milliarden Euro) zur Verfügung gestellt. Die Gelder sollen die Mitgliedstaaten bei Reformen und Investitionen unterstützen, um wirtschaftliche und soziale Folgen der Pandemie abzumildern. Es geht darum, die europäische Wirtschaft moderner, digitaler und nachhaltiger zu machen.

Entscheidend ist für mich, dass die Mittel kriteriengebunden für zukunftsorientierte Investitionen und Reformen verwendet wird und nicht einfach in die nationalen Haushalte zur Finanzierung der teilweise schon länger vorhandenen strukturellen Probleme fließen dürfen. Dieser Aufbauplan ist kein Geldautomat für nationale Politik und Agenden! Priorität muss sein, die Folgen der Corona-Krise zu überwinden und gleichzeitig Zukunftsthemen wie Digitalisierung und Klimaschutz voranzubringen.

Gleichzeitig müssen wir schon jetzt an die Rückzahlung der Schulden denken. Es ist gut, dass ein verbindlicher Zeitrahmen für die Einführung von neuen EU-Eigenmitteln durchgesetzt werden konnte. Die direkten Einnahmen sollten verwendet werden, um die Schulden aus dem Wiederaufbaufonds zurückzuzahlen. Die Kosten und die Zinslast dürfen weder auf künftige europäische Haushalte übertragen, noch der nächsten Generation überlassen werden. Der Wiederaufbaufonds darf kein Einstieg in eine europäische Schuldenunion sein!

Um Unterstützung zu erhalten, müssen die Mitgliedstaaten Aufbau- und Resilienzpläne ausarbeiten. Darin schlagen sie eine Reihe von Reformen und öffentlichen Investitionsvorhaben vor, die bis 2026 umgesetzt werden könnten. Mindestens 37 Prozent der Haushaltsmittel sollen für Klimaschutz und biologische Vielfalt und weitere 20 Prozent für digitale Maßnahmen vorgesehen werden.

Weitere Informationen finden Sie hier.

Debatte mit dem EU-Außenbeauftragten

zu Russland und Myanmar

Die Reise des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell nach Moskau sorgt für große Aufmerksamkeit. Die Stimmung im Europäischen Parlament über die Reise ist uneinig. In einer Debatte am Dienstagnachmittag verteidigten einige Abgeordnete den Besuch in Russland, während viele Abgeordnete die Reise nach Moskau kritisch beurteilten.

Borrell sagte in seiner Eröffnungsrede, dass er nach Moskau gereist sei, um durch prinzipiengeleitete Diplomatie herauszufinden, ob die russische Regierung daran interessiert sei, Differenzen anzusprechen und die negativen Entwicklungen in den Beziehungen zwischen der EU und Russland umzukehren. Die Antwort, die er erhalten habe, weise in eine andere Richtung, fügte er hinzu.

Es gibt in der Tat viele grundlegende Divergenzen zwischen der Europäischen Union und Russland. Die jüngsten Entwicklungen, insbesondere der Giftanschlag, die Inhaftierung und die Verurteilung von Alexej Nawalny, haben die bereits angespannten Beziehungen weiter verschlechtert. Mit der Ausweisung von drei weiteren Diplomaten sind wir an einen Tiefpunkt unseres Verhältnisses gelangt. Trotzdem sollten die Kommunikationskanäle offengehalten werden.

Im Rahmen der Debatte über den Putsch in Myanmar habe ich das Vorgehen des Militärs scharf kritisiert. Im Europäischen Parlament fordern wir die sofortige und bedingungslose Freilassung von Präsident Win Myint, Staatsrätin Aung San Suu Kyi und allen anderen, die inhaftiert wurden. Das Ergebnis der Parlamentswahlen vom November 2020 und universelle demokratische Normen müssen respektiert werden.

Meinen Plenarbeitrag finden Sie auf meinem YouTube-Kanal.

Kreislaufwirtschaft soll fociert werden

Im März letzten Jahres legte die Europäische Kommission einen „Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft“ vor, der sich auf Abfallvermeidung und -wirtschaft konzentriert. Er ist eines der zentralen Punkte des „European Green Deal“, mit dem unser Kontinent bis 2050 klimaneutral werden soll.

Über die Grundsätze und politischen Maßnahmen, die nötig sind, um bis 2050 eine CO2-neutrale, nachhaltige und geschlossene Kreislaufwirtschaft zu erreichen, haben wir diese Woche debattiert und abgestimmt. Mit einer Entschließung positionieren wir uns dazu, verbindliche Ziele für 2030 aufzustellen. Damit soll gewährleistet werden, dass die Verwendung und der Verbrauch von Materialien einen geringen CO2-Fußabdruck erzeugt. Wir fordern die Kommission auf, im Jahr 2021 die Ökodesign-Richtlinie dahingehend zu überarbeiten, sodass Produkte die in der EU auf den Markt gebracht werden langlebig, wiederverwendbar, leicht reparierbar und recycelbar sind.

Die Kreislaufwirtschaft ist für Herausforderungen wie Ressourcenknappheit und zunehmende Abfallmengen von strategischer Bedeutung. Wenn mehr Produkte im Kreislauf geführt werden können, schützt das nicht nur die Umwelt und den Ressourcenverbrauch, sondern es hilft auch der Wirtschaft. Denn dadurch können neue Geschäftsfelder erschlossen und nachhaltige Innovation vorangetrieben werden. Ansetzen müssen wir beim Einsatz von Rohmaterialien, der bislang nur zu 12 Prozent aus recycelten Materialien gedeckt wird. Dieser Anteil muss deutlich erhöht werden. Um das zu ermöglichen, müssen jedoch auch die Qualitätsstandards für Sekundärrohstoffe auf ein vertrauensvolles Niveau angehoben werden.

Die politischen Empfehlungen finden Sie hier.

Debatte mit EZB-Präsidentin Christine Lagarde

Am Montagabend hat das Plenum mit der Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, eine differenzierte Debatte zu ihrem Jahresbericht für 2020 geführt. Es ging um die Frage, was die EZB im Rahmen ihres Mandats tun kann, um die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie abzumildern.

Am nächsten Tag haben wir in einer Entschließung unsere Prioritäten für die Rolle der EZB bei der Wiederbelebung der Wirtschaft der Eurozone dargelegt. Während der Pandemie trägt das entschlossene Handeln der EZB dazu bei, die allgemeine wirtschaftliche Lage in Europa zu stabilisieren. Anders als in der letzten Finanzkrise wurden Mitgliedstaaten nicht von der Refinanzierung auf dem Kapitalmarkt abgeschnitten. Geldpolitik alleine wird aber für eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung nicht ausreichen. Dafür braucht es strukturelle Reformen in den Mitgliedstaaten, die sich teils zu stark auf der expansiven Geldpolitik der EZB ausruhen.

Ich finde: Der Auftrag der EZB ist weder für nationale haushaltspolitische Versäumnisse aufzukommen, noch sich zweckfremd als Investitionsbank für Klimaschutz zu betätigen. Das vertragsgemäße Mandat der Geldwertstabilität darf nicht anderen politischen Zielen untergeordnet werden! Eine zentrale Forderung des Berichts hat die EZB bereits aufgegriffen. Die Zusammensetzung des Warenkorbs für die Inflationsberechnung soll neu geprüft werden. Derzeit wird der Anteil der Immobilienpreise am Warenkorb zu wenig berücksichtigt. Dies hat Folgen für Immobilienmarkt, auf dem gerade die Preise in Ballungsräumen seit Jahren steigen.

Eine Zusammenfassung der Debatte gibt es hier.

Eine Auswahl meiner aktuellen Interviews

• BBC Radio 4, 7. Februar (englisch)

 

• CorD Magazine, 2. Februar (englisch)

 

• NDR Info, 30. Januar

 

• Facebook Live, 26. Januar

Meine nächsten regionalen Termine

• 11. Februar 2021: 

Themenabend „Brexit“ mit der KAS-Stipendiatengruppe Oldenburg (digital)

 

• 15. Februar 2021

Landesvorstand CDU Bremen (digital) 

 

• 18. Februar 2021:

Vortrag bei der Evangelischen Akademie Loccum (digital)

 

• 19. Februar 2021:

Gespräch mit dem CDU Kreisverband Osterholz (digital)